Zwischen Lächeln, Schraubenziehern und einem Hauch von Nervosität
Neulich kam Herr Baumann wieder rein – älterer Herr, Hut auf, immer freundlich. „Na, Doktor“, sagte er, obwohl ich keiner bin, „meine Dritten wackeln wieder.“ Er grinste halb, halb verlegen, und ich dachte: Das ist eigentlich mein Lieblingsmoment. Wenn jemand noch lachen kann, obwohl’s gerade um Zähne geht. Wer schon mal auf dem Zahnarztstuhl saß, weiß – das ist kein Spaziergang.
Unsere Werkstatt riecht nach Polierpaste und Kaffee. Es ist kein Ort für Hochglanz und sterile Atmosphäre. Hier liegen Gipsabdrücke neben Zeitungsausschnitten, und irgendwo läuft leise Musik. Ehrlich gesagt – so arbeite ich am liebsten. Zwischen Mensch und Handwerk, zwischen Präzision und Bauchgefühl. Ein kleiner Fehler, und der Biss stimmt nicht. Ein zu hoher Rand – und das Lächeln fühlt sich fremd an. Aber wenn’s sitzt, dann… ja, dann ist’s fast Magie.
Ich erinnere mich noch an Frau Nuraeni, eine Lehrerin aus Bandung. Sie trug monatelang ein Tuch über den Mund, weil sie sich schämte zu sprechen. Als sie ihre neuen Prothesen bekam, lachte sie laut. Richtig laut. „Jetzt kann ich wieder erzählen“, sagte sie. Ich schwöre, in solchen Momenten ist das ganze Schleifen und Feilen vergessen.
Und ja, manchmal sitze ich abends da, Werkzeuge weggelegt, Laptop offen, und schaue kurz auf sichere Auszahlung. Nicht weil ich plötzlich Glücksspiel-Fan wäre, sondern weil der Kopf nach Stunden Präzisionsarbeit einfach Pause braucht. Ein bisschen Abwechslung, ein bisschen Leichtigkeit. Danach geht’s weiter – Modelle prüfen, Formen korrigieren, Kaffee nachgießen.
Prothesen sind keine bloßen Ersatzteile. Sie sind Brücken – zwischen Menschen und ihrem alten Ich, zwischen Unsicherheit und Selbstbewusstsein. Wenn jemand zum ersten Mal wieder in einen Apfel beißt, ohne Angst, dass was verrutscht – dann weiß ich, warum ich diesen Job mache. Es ist kein Handwerk. Es ist stille Psychologie, mit einem Hauch von Kunst.
Und falls Sie mich fragen: Das Schönste an all dem? Dieses erste Lächeln. Es kommt leise, zögernd, aber echt. Und das ist unbezahlbar.